1978 - 1988 Konsolidierung und Ausbau
1978/79 – 1987/88: Konsolidierung und Ausbau
In ihrem zweiten Jahrzehnt entwickelte sich unsere Schule auf den guten Grundlagen, die in den Pionierjahren geschaffen worden waren, beständig weiter: Bewährtes wurde fortgeführt und den Erfordernissen und dem veränderten Zeitgeist entsprechend verändert, vertraute Traditionen wurden beibehalten, aber auch entgegen mancher Kritik mutig neue Wege beschritten. Unsere Schule sah weiterhin ihre besondere Aufgabe darin, begabten Schülerinnen und Schülern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft den Weg zum Abitur zu ebnen und distanzierte sich damit bewusst vom immer noch weit verbreiteten Bild des Gymnasiums als elitärer Bildungseinrichtung. Folgerichtig wurde nun auch eine Bevölkerungsgruppe in den Fokus genommen, die bisher von höherer Bildung so gut wie ausgeschlossen war: Die Kinder der sogenannten „Gastarbeiter“. Unsere weiterhin politisch sehr interessierten und manchmal „unbequemen“ Schülerinnen und Schüler engagierten sich – gemeinsam mit vielen ihrer Lehrerinnen und Lehrer – in der wachsenden Friedens- und Anti-Atomkraft-Bewegung und ecken beim Gladbecker Establishment an. Die demografische Entwicklung sowie das Ende der Wirtschaftswunderjahre stellten die weiter kontinuierlich wachsende Zahl von Abiturientinnen und Abiturienten vor Fragen, die ihre Vorgänger aus früheren Jahren völlig fremd waren: Auf einmal war das bloße Bestehen des Abiturs keine Garantie mehr für einen Wunsch-Studienplatz, eine der Qualifikation entsprechende berufliche Position und ein (sehr) gutes Auskommen bis zum Lebensende.
Der Schulbrand im Jahr 1985 und seine Folgen schließlich waren eine harte Bewährungsprobe, die aber von allen Betroffenen gemeinsam mit viel Engagement, Organisationsgeschick, Kreativität und Geduld bewältigt wurde und die Schulgemeinde nur noch fester zusammenschweißte.
10 Jahre Heisenberg-Gymnasium
Zu Beginn des Schuljahres 1978/79 feierte unsere Schule ihr zehnjähriges Bestehen mit einer Festwoche. Zu diesem Anlass erschien auch eine Festschrift, die die Schule vorstellte und die bisher geleistete Arbeit würdigte.
Ein großes Schulfest schloss das Jubiläums-Schuljahr ab. Dabei wurden auf die Wände der Schule Kunstwerke und auf den Schulhof ein riesiges Schachbrett gemalt.
Anlässlich des Schuljubiläums wurde in der Pausenhalle ein Kunstwerk installiert, das von der Künstlergruppe um Michael Derpmann, der zwei Jahre lang als Kunsterzieher am Heisenberg-Gymnasium tätig gewesen war, entworfen wurde. Seine verschiedenen Elemente – die beiden prägnanten rot-weißen Säulen, die schwarze Wand mit den abstrakten Bäumen sowie der – seit dem Brand nicht mehr vorhandene - grüne Stoff symbolisieren Industrie und Natur des Ruhrgebiets. Im Mai 1978 hatte der Bauausschuss der Stadt Gladbeck für die Aufwertung des „Pädagogischen Zentrums“ – gemeint war die Pausenhalle - 25 000 DM bewilligt. In einem Artikel, der zwei Jahre später in der WAZ erschien, wird kritisiert, dass es damit nicht gelungen sei, die Pausenhalle – „ein Raum, dem Gemütlichkeit völlig fehlt“ – aufzuwerten. Michael Derpmann äußerte sich zutiefst enttäuscht über die Zusammenarbeit mit der Stadt Gladbeck, die das Kunstwerk durch Einschränkungen, fehlende Absprachen und eine unvollständige Umsetzung völlig verfälscht und seine Wirkung verspielt habe.
Die Entwicklung des Heisenberg-Gymnasiums in Zahlen
Zum 10-jährigen Jubiläum besuchten 1150 Schülerinnen und Schüler das Heisenberg-Gymnasium, 27 Lehrerinnen und 43 Lehrer gehörten dem Kollegium an.
Der jahrelangen Unterversorgung mit Lehrkräften folgte eine „Lehrerschwemme“. Selbst Referendare, die mit Bestnoten abschlossen, mussten bangen, ob sie eine Festanstellung finden würden. Für unsere Schule war dies eine positive Entwicklung: Erstmals in ihrer Geschichte konnte die Unterrichtsversorgung gesichert werden. Einzige Ausnahme blieb das Fach Kunst, da es hier immer noch an Fachlehrern mangelte: In diesem Fach fielen z.B. 1981 in der Sekundarstufe I 14%, in der Sekundarstufe II sogar 25% er Unterrichtsstunden aus.
Der Heisenberg-Tag
Die 1976 begonnene Tradition eines „Heisenberg-Tags“ – zunächst Anfang Dezember, zum Geburtstag des Namensgebers unserer Schule, dann jeweils zu seinem Todestag Anfang Februar – wurde fortgeführt. Ziel war es, so der Schulleiter, den engen Rahmen des „Paukens“ und der Lernleistungsnoten zu sprengen und den Anschluss an die Wissenschaften nicht zu verlieren. Dazu wurden in jedem Jahr hochrangige Vertreter aus Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften und Pädagogik zu einem Vortrag vor Schülern, Lehrern und Eltern eingeladen. Beispielsweise fragte Dr. Werner Rauer, ein Schüler Heisenbergs: „Wieviel Lebensvorbereitung kann Schule leisten?“ (1979), der Mikrobiologe und Genetiker Ulrich Winkler, Professor an der Ruhruniversität Bochum, sprach über „Wissens- und Gewissensprobleme der modernen Genetik“ (1980), 1981, anlässlich des fünften Todestags Werner Heisenbergs, hielt sein Freund und Nachfolger im Direktorium des Max-Planck-Instituts für Physik, Professor Hans-Peter Dürr im Rahmen einer Feierstunde einen Vortrag über „Werner Heisenberg – Mensch und Forscher“, der Bochumer Germanistikprofessor Siegfried Grosse sorgte mit seinen Ausführungen zur Sprache der Gesetze für Schmunzeln (1983), Professor Heinz Heckhausen, Direktor des Max-Planck-Instituts für psychologische Forschung in München, erläuterte die Zusammenhänge von „Wünschen – Wählen – Wollen“ (1987) und Professor Klaus Hurrelmann, Dekan der in Bielefeld neu gegründeten Fakultät für Pädagogik, analysierte „die Neuen pädagogischen Herausforderungen für das Gymnasium“ (1988) angesichts einer Übergangsquote von inzwischen rund einem Drittel aller Grundschüler. Ein besonderer Höhepunkt war der Heisenberg-Tag im Februar 1984, als der Name „Heisenberg-Gymnasium“ zehn Jahre alt wurde. Ehrengast war Elisabeth Heisenberg, die Ehefrau des verstorbenen Namensgebers, die aus ihrem Buch über Werner Heisenberg „Das politische Leben eines Unpolitischen“ las. Wie auch die Abiturfeiern fanden diese Vortragsabende nicht mehr im Schulgebäude, sondern im Bonhoeffer-Haus statt.
1983 wurden am Heisenberg-Tag erstmals Schülerinnen und Schüler geehrt, die in den Naturwissenschaften, den Gesellschaftswissenschaften oder im Sport besondere Leistungen erbracht hatten oder durch ihr soziales Engagement hervorgetreten waren. Diese Ehrungen gehörten von nun an fest zum Programm dieses Tages.
Projekttage am Heisenberg-Gymnasium
„Heisenberg-Gymnasium organisiert auf Anregung aus der Schülerschaft pädagogisches Experiment“ war im April 1981 in der WAZ zu lesen. In Zusammenarbeit mit Schülern und Eltern wurde für Juli eine Projektwoche geplant, zu der die Schulkonferenz – wenn auch nur mit knapper Mehrheit – grünes Licht gegeben hatte. Auch Schulleiter Sokolowski war skeptisch: „Projektwochen sind etwas für Gesamtschulen.“ Nie zuvor hatte es etwas Vergleichbares an einem Gymnasium in Gladbeck gegeben: In 75 Projekten arbeiteten Schüler, Lehrer und teilweise auch Eltern gemeinsam klassen- und jahrgangsübergreifend an Themen ihrer Wahl. Bei einem Schulfest am letzten Tag der „Prowo“ wurden die Projekte und ihre Ergebnisse präsentiert. Das pädagogische Experiment wurde aus Sicht vieler Beteiligter ein großer Erfolg.
Eigentlich hatte es deshalb 1985 erneut eine Projektwoche geben sollen. Wegen des Brandes musste sie aber zweimal verschoben werden und konnte erst im Juli 1987 stattfinden. Sie stand unter dem Motto „Leben im Ruhrgebiet“ und fand erneut großen Anklang bei vielen Schülern, Lehrern und Eltern.
Die dritte und – bis zum 50-jährigen Schuljubiläum – vorerst letzte Projektwoche fand im Oktober 1989 zum Thema „Umwelt und Technik statt.
Das Heisenberg-Gymnasium öffnet sich für „Ausländerkinder“
Obwohl die Zahl der ausländischen Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch war, aufgrund der Anwerbung sogenannter Gastarbeiter in den Jahren 1955 bis 1973 an den Grund- und Hauptschulen seit Jahren immer weiter gestiegen war, waren sie zu Beginn der 1980er Jahre an Realschulen und Gymnasien noch eine seltene Ausnahme. Zum Schuljahr 1983/84 nahm das Heisenberg-Gymnasium auf Wunsch der Stadt Gladbeck erstmals 17 dieser Kinder - aus der Türkei, Italien, Jugoslawien, Portugal und Marokko – auf. Die Schulleiter der beiden anderen Gymnasien hatten abgelehnt. Ziel war es, begabten Schülerinnen und Schülern ausländischer Herkunft eine Chance zu geben, das Abitur zu erreichen. „Die nachwachsenden Generationen der großen Massen von ‚Gastarbeitern‘ wird man nicht beschränken können auf dieselben Verwendungszwecke, für die man ihre Väter ins Land geholt hat“, stellte Herbert Sokolowski 1993 – zu diesem Zeitpunkt schon ehemaliger Schulleiter des Heisenberg-Gymnasiums – in der Festschrift zum 25-jährigen Bestehens der Schule fest. Eine zusätzliche Lehrkraft wurde eingestellt, ein von Fachlehrern betreutes Silentium eingerichtet und eine Hausaufgabenhilfe durch Oberstufenschüler ins Leben gerufen. Zusätzlich zum normalen Unterrichtspensum hatten die zwölf türkischen Schülerinnen und Schüler fünf Unterrichtsstunden pro Woche in Religion und Türkisch bei einem türkischen Lehrer.
Eine Informationsschrift zum Tag der offenen Tür im Schuljahr 1986/87 betont die guten Erfahrungen, die man bisher mit den ausländischen Schülerinnen und Schülern gemacht habe. Sie seien alle von den abgebenden Grundschulen als gymnasial geeignet eingestuft worden und ihr Anteil in den Klassen liege nie höher als 12%. Offensichtlich schien es nötig, möglichen Bedenken von Eltern von Viertklässlern, ihre Kinder am Heisenberg-Gymnasium anzumelden, zu begegnen. Zum Tag der offenen Tür 1988 betrug der Anteil der ausländischen Schülerinnen und Schüler in den Klassen 5 bis 9 bis zu 15%.
Dabei, so die Heisenberg-Lehrer Brigitte Seeberg-Dufour und Behcet Sovuksu in der Festschrift zum 25-jährigen Schuljubiläum, profitierten auch die deutschen Schüler und Lehrer: „Die Anwesenheit der ausländischen Schüler gibt Lehrern und Schülern die Möglichkeit, die vermeintlich ‚anderen‘ als unseresgleichen zu erfahren, aber auch als Jugendliche, die inmitten zweier Kulturen ihre Identität aufbauen müssen. Diese Jugendlichen sind verständige Vermittler zwischen Kulturen; ihre Anwesenheit kann für uns nur Gewinn sein.“
Auf Initiative der SV fand im Juni 1986 ein „Ausländertag“ am Heisenberg-Gymnasium statt, der Einblick in verschiedene Kulturen ermöglichen sollte. Auf dem Programm standen u.a. türkische Tänze, Schattenspiele, eine internationale Modenschau, internationale Spezialitäten sowie Informationen über verschiedene Länder.
Das Fremdsprachenangebot wird erweitert
Im zweiten Jahrzehnt wurde das Fremdsprachenangebot an unserer Schule um zwei Fremdsprachen erweitert, die in Gladbeck an keiner anderen Schule angeboten wurden: Schülerinnen und Schüler türkischer Herkunft konnten nun Türkisch als zweite Fremdsprache wählen, und Russisch konnte man als dritte Fremdsprache ab der 9. Klasse erlernen. Im Schuljahr 1987/88 lernten am Heisenberg-Gymnasium insgesamt 85 Schülerinnen und Schüler Russisch, es gab sogar einen Russisch-LK, wenn auch mit nur sieben Teilnehmern. Laut einem Artikel der WAZ vom März 1988 bezeichnete der Vorsitzende der Russischlehrer-Vereinigung Nordrhein-Westfalen unsere Schule als „Hochburg für russischen Sprachunterricht“.
Das „SÜNDIKAT“ – ein Stein des Anstoßes
Nach vielen gescheiterten Versuchen hatte es an den Gladbecker Gymnasien mehrere Jahre lang keine Schülerzeitung gegeben. Dies änderte sich kurz vor Weihnachten 1979, als die erste Ausgabe des SÜNDIKATS erschien, der Schülerzeitung des Heisenberg-Gymnasiums, die mit ihren zwölf Ausgaben zu Aktionen der Friedenbewegung, Umweltthemen, Jugendarbeitslosigkeit, Ausländerfeindlichkeit, zweifelhaften städtischen Bauvorhaben und Sticheleien gegen „das biedere, SPD-hörige Lokalblatt WAZ“ (Zitat: Ralf Köpke), die bis Februar 1984 erschienen, immer wieder für heftige Kontroversen sorgen und sogar ein Gericht beschäftigen sollte. „Das Heisenberg-Blatt avancierte in den frühen 80er Jahren zu einem Markenzeichen für Aufmüpfigkeit, unkonventionelle Aktionen und jede Menge Schlagzeilen. Allerdings, das soll bei allem Eigenlob nicht unerwähnt bleiben, wurde es dem SÜNDIKAT-Team auch allzu leicht gemacht – durch eine Reihe pädagogischer Biedermänner am Rats- und am Riesener-Gymnasium (da es an beiden Lehranstalten keine Schülerzeitung gab, bediente das SÜNDIKAT auch diese Märkte). Diese Damen und Herren (Ober-)Studienräte und rätinnen bzw. Studiendirektoren, die während der damaligen Auseinandersetzungen oft an Karikaturen aus Heinrich Manns gleichnamigen Roman ‚Der Untertan‘ erinnerten, legten mit ihrer überzogenen Kritik an dem Schülerblatt die Basis für dessen Popularität in Pennälerkreisen“, schrieb das SÜNDIKATS-Redaktionsmitglied Ralf Köpke in seinem Beitrag zur Festschrift anlässlich des 25-jährigen Bestehens unserer Schule. Der damalige Schulleiter des Ratsgymnasiums bezeichnete angesichts einer „Vater Unser“-Persiflage die Sprache der SÜNDIKAT-Macher als „Sprache des Untermenschen“, die Eltern seiner Schule sähen ihre Kinder gefährdet. (Anm. der Verf.: Dabei hätte die Sprache des Schulleiters eher Anlass zur Sorge sein müssen.) Der Schulpflegschaftsvorsitzende des Riesener-Gymnasiums warnte Gladbecker Geschäfte davor, Anzeigen in der Schülerzeitung der Heisenberger zu schalten und erstattete gegen die verantwortlichen Redakteure Anzeige wegen des Vertriebs pornographischer Schriften: In dem der Schülerzeitung beigelegten Bestellheftchen eines Berliner Buchversands waren zwei Milieuzeichnungen Heinrich Zilles und George Grosz‘ abgedruckt. „Wir haben es satt, wenn in einer Zeitschrift wieder die religiösen Gefühle verhöhnt und Bischöfe verunglimpft werden. Wir haben es satt, wenn unsere Freunde in Amerika, die unsere Freiheit schützen, beschimpft werden. Wir haben es satt, wenn die jungen Schüler von einer Handvoll 18jähriger geistig verführt werden.“ – „Wenn aber Herr Köpke meint, die ‚Fäkaliensprache‘, wie Herr Direktor Jung mit Recht die Sprache dieser Zeitung nannte, sei Umgangssprache der heutigen Jugend, so ist das eine große Beleidigung der heutigen Jugend. Wahrscheinlich verkehrt Herr Köpke in Kreisen, wo diese Sprache Umgangssprache ist. ‚Unsere Jugend‘ hält sich allerdings nicht in solchen Kreisen auf“ lautet es so oder ähnlich in vielen Leserbriefen. Der Versuch, den Vertrieb der Schülerzeitung am Ratsgymnasium unter Verweis auf die Allgemeine Schulordnung mit der Begründung zu verbieten, es sei schließlich kein Schüler dieser Schule Mitglied der Redaktion, scheiterte.
Der Schulleiter des Heisenberg-Gymnasiums indes sah keinen Grund, die Mitarbeiter der Schülerzeitung zu bremsen, äußerte allerdings Verständnis für Kritik an der „Vater Unser“-Parodie. Für die Teilnahme an der großen Friedensdemo gegen die Stationierung von Pershing II-und Cruise Missiles in Bonn, zu der das SÜNDIKAT aufrief, erteilte er auf Antrag Befreiung vom Unterricht.
„Heisenberger Schuss“
Im Januar 1983 fand erstmals eine Veranstaltung statt, die legendär werden sollte und bis heute für viele Heisenbergerinnen und Heisenberger – Schüler wie Lehrer - die wichtigste aller Schulfahrten ist: Die Ski-Freizeit – damals, zu Zeiten von G9, noch der 10. Klassen – nach Saalbach-Hinterglemm. Zum ersten Mal ertönte der Schlachtruf „Heisenberger Schuss“.
„Hurra, die Schule brennt“ ?
Das äußerlich einschneidendste Ereignis des zweiten Jahrzehnts unserer Schulgeschichte war sicherlich der Brand des Schulgebäudes. Er brach in der Nacht auf Samstag, den 16.März 1985, aus. Die „Bild am Sonntag titelte: „Gymnasium in Flammen!“ – „Schulfrei für 950“ – „Über zwei Millionen Mark Schaden“. Das Feuer zerstörte den Mitteltrakt mit den Kunst- und Musikräumen – inklusive Instrumenten - sowie die Pausenhalle völlig. In den angrenzenden Gebäudeteilen entstanden schwere Rauch- und Wasserschäden. Damit konnten die Heisenberger Schülerinnen und Schüler fünf Tage eher als vom Schulministerium vorgesehen in die Osterferien gehen. Schnell machten Gerüchte von Brandstiftung durch Schüler die Runde, womöglich durch einen Abiturienten, der – wenig überzeugt von seiner Prüfungsleistung in einer der schriftlichen Abiturprüfungen, die kurz zuvor stattgefunden hatten – auf diese Weise die Prüfung wiederholen zu können hoffte. Allerdings blieben die ordnungsgemäß verschlossenen Abiturarbeiten unversehrt, und die Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft stellte fest, dass der Brand aufgrund eines defekten Kabels in der Decke des Obergeschosses ausgebrochen war und sich aufgrund der Leichtbauweise rasend schnell hatte ausbreiten können. Auch um die noch ausstehenden schriftlichen Abiturprüfungen kamen die Abiturienten nicht herum: Sie wurden alle wie geplant noch vor den Ferien geschrieben, und zwar in den vier Räumen des Pavillons der Schule sowie in der gegenüber liegenden Berufsschule. Ebenso wenig frei hatten die Lehrer: Ihnen fiel die Aufgabe zu, in ihren jeweiligen Fach- bzw. Arbeitsbereichen aufzuräumen, das Inventar zu reinigen sowie alle zerstörten Gegenstände aufzulisten, damit die genaue Schadenshöhe festgestellt werden konnte.
Nach den Osterferien wurde der Unterricht wieder nach Plan aufgenommen. Dazu mussten die Klassen und Kurse auf neun verschiedene Standorte verteilt werden: auf Teile des Westtrakts unseres Schulgebäudes und den Pavillon, einen Pavillon des Ratsgymnasiums, die Pavillons des Riesener-Gymnasiums, auf Räume in der Berufsschule, der Käthe-Kollwitz-Schule, der Lamberti-Schule, des Schulkomplexes an der Bottroper Straße, auf die Musikschule, auf das Bonhoeffer-Haus mitsamt der Sakristei der Christuskirche. Nach und nach konnten bis zu den Weihnachtsferien alle Schüler an den Nordpark zurück ziehen. Bis das Schulgebäude inklusive aller Fachräume wieder voll funktionsfähig war, dauerte es allerdings noch bis nach den Osterferien 1986.
In der Informationsschrift zum Tag der offenen Tür im Schuljahr 1986/87 heißt es, man habe eine „Phoenix-Erfahrung“ gemacht: Nach dem Wiederaufbau des zerstörten Teils wirke die Schule heller und freundlicher als zuvor. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen habe das Schulleben seit dem Brand ganz normal stattfinden können. Das Kollegium sei nun umso motivierter, „miteinander eine gute Schule hervorzubringen.“
Vorhang auf für die Theater-AG
Im August 1980 wurde an unserer Schule eine Theatergruppe gegründet, die weit über die Schulgemeinde hinaus bekannt werden und ein Markenzeichen des Heisenberg-Gymnasiums werden sollte. Sie war aus einem Literaturkurs hervorgegangen und wurde von Bernd Matzkowski, Lehrer für Deutsch, Sozialwissenschaften und Literatur, geleitet. Ihr erstes Projekt war das Stück „Mensch, ich hab‘ Dich lieb“, ein Anti-Drogen-Schauspiel der Berliner Theatergruppe Rote Grütze. Kurz vor der Premiere zog man sich zu Intensivproben in eine Jugendherberge zurück. Bereits vor der Premiere ihres ersten Stücks fassten die Nachwuchs-Schauspieler ihre nächste Inszenierung ins Auge: ein Stück von Bertolt Brecht, der in den folgenden Jahren der wohl beliebteste Autor dieser Theatergruppe war, die von nun an in atemberaubendem Tempo und trotzdem auf weit über das sonst für Schülertheater übliche Niveau hinaus eine anspruchsvolle und oft ungewöhnliche Inszenierung nach der anderen präsentierte – v.a. deutscher Dramatiker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, aber auch von Klassikern der Antike und der Aufklärung, Stücken von Shakespeare sowie der einen oder anderen Eigenproduktion. Dabei wurde das klassische Sprechtheater gerne durch Tanz oder Pantomime ergänzt. Lessings „Nathan der Weise“ war im März 1988 bereits die 21. Premiere!
Studien-und Berufsberatung
In den 1980er Jahren wurde es für die Absolventinnen und Absolventen der geburtenstarken Jahrgänge auf dem Arbeitsmarkt und an den Universitäten eng, zumal die Abiturientenquote stetig stieg: Die Zulassung zu immer mehr Studiengängen wurde beschränkt, und selbst Abiturienten und Akademiker konnten nicht mehr sicher sein, einen ihrer Qualifikation und ihren Erwartungen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden. Immer mehr Abiturienten strebten statt dem noch im Jahrzehnt zuvor üblichen Studium eine Ausbildung an. Vor diesem Hintergrund entstand für die weiterführenden Schulen die Notwendigkeit, die jungen Menschen frühzeitig und umfassend über die Möglichkeiten und Voraussetzungen der Studien- und Berufswahl zu informieren.
Im Februar 1984 veranstaltete das Heisenberg-Gymnasium den ersten Diskussionsabend zum Thema „Abitur – Was nun?“ Schulleiter Sokolowski sagte, er könne die Ratlosigkeit und den Frust vieler Abiturienten angesichts der Situation auf dem Arbeitsmarkt und in einzelnen Studiengängen durchaus verstehen. Die Referenten vom Arbeitsamt Gelsenkirchen, vom Ausbildungswesen bei RWE sowie von der Studienberatung der Gesamthochschule Essen empfahlen, keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen, sich frühzeitig zu informieren, flexibel zu bleiben und sich im Übrigen nicht von den düsteren Prognosen beeinflussen zu lassen.
Im Oktober 1986 absolvierten die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 12 des Heisenberg-Gymnasiums zum ersten Mal ein Schülerbetriebspraktikum, laut den Ruhr-Nachrichten „das einzige von dieser Dauer im weiten Umkreis“. Wie noch heute wurden die Praktikanten von Lehrerinnen und Lehrern betreut, und jeder Schüler hatte ein Berichtsheft zu führen. Abschließend gab es ein gemeinsames Arbeitswochenende mit den Stufenleitern in Oer-Erkenschwick, bei dem das Praktikum mit Hilfe von Mitarbeitern des Arbeitsamtes ausgewertet wurde. Die Bilanz der 91 Schülerinnen und Schüler sowie der betreuenden Lehrkräfte fiel durchweg positiv aus, sodass man beschloss, das Praktikum in dieser Form auch in den folgenden Jahrgängen durchzuführen.
Im September 1987 gab es die erste große Berufsinformations-Börse an unserer Schule, zu der die Schülerinnen und Schüler der 12. Klassen der Gladbecker Gymnasien sowie der Gesamtschule eingeladen waren und die von nun an jährlich stattfand. 39 Referenten und Vertreter der verschiedensten Berufe boten in 112 Einzelveranstaltungen „Berufsinformationen zum Anfassen“, wie die WAZ berichtete.
Es folgt: der Werbeblock
Im Januar 1985 veranstaltete das Heisenberg-Gymnasium seinen ersten „Tag der offenen Tür“, um die Schülerinnen und Schüler der vierten Klassen sowie ihre Eltern auf sich aufmerksam zu machen: „Sinkende Schülerzahlen zwingen die Gladbecker Gymnasien zu ungewöhnlichen Maßnahmen“ war in den Ruhr-Nachrichten zu lesen. Nachdem das Ratsgymnasium im Jahr zuvor auf diese Weise für sich geworben hatte, war man in Zugzwang geraten. Bei der Begrüßung der Besucher hob Schulleiter Sokolowski hervor, das Heisenberg-Gymnasium sei das erste Gymnasium in Gladbeck gewesen, das Informatik zum Abiturfach gemacht habe; er verwies auf die vielfältigen Schulfahrten, die umfangreiche naturwissenschaftliche Sammlung sowie das gute Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern. Die Gäste konnten am Unterricht teilnehmen sowie u.a. eine computergesteuerte Modelleisenbahn bestaunen, Schülerarbeiten, v.a. aus dem künstlerischen Bereich, besichtigen und einer öffentlichen Probe der Theater-AG beiwohnen. Bei Bedarf konnte man sich im „Café Soko“ stärken.
Schon damals prognostizierte Herr Sokolowski, dass der Wettbewerb der Schulen um die Schüler in Zukunft noch härter werden würde.
Das Abitur im zweiten Jahrzehnt
Bereits 1981 scheint die Verkürzung der Schulzeit am Gymnasium von neun auf acht Schuljahre ein Thema zu sein: Bei einer Befragung der WAZ hierzu zeigten sich jedoch alle drei Schulleiter der Gladbecker Gymnasien skeptisch.
„Unehrenhaft“ aus der Schule entlassen wurde die Abiturientia 1983: Nach den letzten Prüfungen im Juni zogen die Noch-Heisenberger lärmend durch die Gladbecker Innenstadt und besetzten vorübergehend das Rathaus. „Manches war durchaus originell und witzig, leider nicht alles“, urteilte die WAZ tags darauf. Aber es kam noch schlimmer: Auf dem Schulgelände wurden nachts „Glastüren eingetreten, Lampen zerbrochen, Mobiliar beschädigt und gerade frisch renovierte Wände mit Parolen beschmutzt“ berichtete die Zeitung einen Tag später. Das Kollegium des Heisenberg-Gymnasiums beschloss daraufhin einstimmig, die geplante Entlassungsfeier im Bonhoeffer-Haus mitsamt ökumenischem Gottesdienst und Zeugnisübergabe abzusagen und gegen einige der Schüler Strafanzeige zu erstatten. Schulleiter Sokolowski ließ mitteilen, dass die Abiturzeugnisse in der kommenden Woche während der Geschäftszeiten des Sekretariats abgeholt werden könnten. In Gesprächen mit der Schulleitung versuchten die Vertreter der Stufe ohne Erfolg, zu erreichen, dass die Abiturienten die Zeugnisse wenigstens gemeinsam ausgehändigt bekämen. Sie verwiesen darauf, dass wohl keine Heisenberger für den Vandalismus verantwortlich seien oder wenn doch, dann doch nur ein ganz geringer Teil der großen Stufe.
Am Ende des zweiten Jahrzehnts, im Jahr 1988, bestanden an unserer Schule 76 Schülerinnen und Schüler ihr Abitur, 42 davon waren Mädchen. Damit hatte sich der Anteil der Mädchen gegenüber dem Jahr 1978 mehr als verdoppelt, und die Zahl der Abiturientinnen überstieg die Zahl der Abiturienten an der ehemaligen „Jungenpenne“.
Anja Peters-Kern