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Schulpreis benannt nach Bezirksrabbiner Dr. Selig Auerbach

WAZ 20.08.2015 | 09:00 Uhr

Gladbeck. Das Ehepaar Schild berichtete über das Schicksal seiner Familie während des Nazi-Terrors und gab Einblicke in seinen jüdisch-orthodoxen Lebensalltag.

Einen besonderen Exkurs in lokale Geschichte erlebten jetzt die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 7 des Heisenberg-Gymnasiums. Die Eheleute Ilana und Gary Schild waren aus den USA angereist, um einerseits über das Schicksal ihrer jüdischen Verwandten zu berichten, die den Nazi-Terror in Recklinghausen durchlitten – und andererseits mehr über ihre eigenen familiären Wurzeln zu erfahren.

 

Konkret ging es um den ehemaligen Bezirksrabbiner mit Sitz in Recklinghausen, Dr. Selig Auerbach, der 1939 in die USA emigrierte, um sich und seine Familie zu retten. Nach ihm hat die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) in Recklinghausen den Preis benannt, der seit 2006 zur Unterstützung an Schulen vergeben wird, die sich mit christlich-jüdischen Projekten beschäftigen. Das Heisenberg-Gymnasium war im Jahr 2010 Preisträger.

Ilana Schild ist die Enkelin von Dr. Selig Auerbach (der 1997 verstarb), die jetzt auf Einladung der GCJZ zum ersten Mal ins Land ihrer Vorfahren reiste. Sie und ihr Mann seien entsprechend aufgeregt gewesen, was sie erwarte, da sie in den USA oft gehört hätten, „dass die Deutschen kalt, sehr strikt und unangenehm sind". Aber nichts davon sei wahr, sie selbst habe die Deutschen jetzt als freundlich und interessiert erlebt. Von ihren Großeltern selbst habe sie auch wenig über Deutschland erfahren, das sei ein Tabuthema wie bei vielen jüdisch-deutschen Emigranten gewesen. „Nicht nur meinen Großeltern hat es das Herz gebrochen, dass sie fast ihre gesamte Familie in Konzentrationslagern verloren haben." Viele, wie ihr Großvater, hätten sich sogar schuldig gefühlt, durch die Flucht überlebt zu haben. Die Sprache der Täter sei von ihren Großeltern nicht mehr mit den Kindern und Enkeln gesprochen worden.

Von ihrer Mutter habe sie einiges erfahren, an das diese sich noch aus ihrer Kindheit in Recklinghausen erinnern konnte. Darunter der dramatische Sprung vom Balkon des Wohnhauses in der Pogromnacht, als Nazi-Horden 1938 auch durch Recklinghausen zogen, Geschäfte und Wohnhäuser plünderten, Synagogen zerstörten und in Brand steckten.

Durch die GCJZ, die den Besuch ermöglichte, habe sie jetzt einige Lücken in der Familienchronik schließen können, da sie alte Familienfotos und Dokumente erhalten habe. Für sie sei dabei ein Foto, das ihre Mutter als Mädchen an der Seite der Großmutter zeige, besonders ergreifend gewesen, „weil es ein Foto von mir im gleichen Alter gibt, wo ich ihr sehr ähnlich sehe".

Neben dem Bericht über die Vergangenheit ihrer Großeltern in Deutschland war es den Schilds aber auch eine Anliegen, Einblicke in ihr Leben als orthodoxe jüdische Familie zu geben.

Zum Beispiel, dass verheiratete Frauen ihr Äußeres eher verdecken. „Wir tragen Perücken und Kleidung, die unsere Gelenke wie Ellenbogen, Handgelenke oder Knie bedeckt." Der Umgang von Mädchen und Jungen sei ebenfalls reglementiert. Es gebe getrennte Mädchen- und Jungen-Schulen, zudem gehe man nicht vor dem Alter von 21 Jahren miteinander aus und heirate als orthodoxe Juden nur untereinander. Dies müsse man auch aus der Vergangenheit heraus verstehen, denn diese Regeln hätten sicher auch dazu beigetragen, dass die oft kleinen jüdischen Glaubensgemeinschaften Jahrhunderte fortbestanden.

Die Schilds bedauerten gegenüber den Heisenberg-Schülern, dass es in Deutschland noch immer kein 'normales' jüdisches Alltagsleben gebe, Synagogen geschützt werden müssten. Gerne wollen sie aber mit ihren vier Kindern (15-21 Jahre) erneut nach Deutschland kommen, „damit sie auch ihre familiären Wurzen kennenlernen".

Seit 1934 leitete Dr. Selig Auerbach das Bezirksrabbinat in Recklinghausen. Nach der Reichspogromnacht (10.11.1938) flüchtete er mit seiner Familie zunächst nach Holland, von dort nach Großbritannien und 1941 weiter in die USA.

Sein Vater starb 1943, seine Mutter ein Jahr später im KZ Theresienstadt, seine Schwester Leah 1944 in Hamburg, sein Bruder Jacob und die Schwester Rachel wurden 1944 im KZ Auschwitz umgebracht.

Seine frühere Wirkungsstätte besuchte Auerbach mit seiner Frau Hilda 1988 – und ein zweites Mal 1993. Dabei besichtigten die Auerbachs auch das ein Jahr zuvor eröffnete Jüdische Museum Westfalen in Dorsten. Dr. Selig Auerbach starb 1996 im Alter von 85 Jahren in Rochester/ New York.

Die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Recklinghausen stiftet seit 2006 den Dr.-Selig-Auerbach-Preis in der Absicht, weiterführende Schulen bei der Beschäftigung mit christlich-jüdischen Themen und Projekten zu unterstützen. Die alljährlich vergebene Auszeichnung wurde nach dem ehemaligen Bezirksrabbiner benannt, weil diesem zeitlebens besonders der Umgang und Austausch mit jungen Menschen am Herzen lag.

Marcus Esser

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